Evangelische Kirche in Istanbul Die Kreuzkirche in Beyoglu Eine multimediale Dokumentation von Özgür Uludag, Lilith Becker und Anna Laura Gundler
Die Kreuzkirche in Beyoglu Evangelischsein in Istanbul
Deutschlands
Verhältnis
mit
der Türkei hat in den vergangenen Jahren stark gelitten. Wir wollten erfahren,
was das mit einer Gemeinde macht, die seit 175 Jahren eine zweite Heimat für dort
lebende Deutsche ist. Und wie es für die Gemeindemitglieder selbst ist, wenn
ihre zwei Heimaten ein solch angespanntes Verhältnis haben.
Diese multimediale Dokumentation erzählt aus dem Alltag der Pfarrerin, einer Kirchenrätin, von Gemeindemitgliedern, Mitarbeitern der Gemeinde, sowie aus der Nachbarschaft der Kirche.
Die Menschen berichten von ihren persönlichen Erfahrungen in der Türkei und werfen für uns einen
anderen Blick auf dieses Land, das viele Menschen in Deutschland seit ein paar Jahren hauptsächlich
mit Schreckensmeldungen von autoritärer Herrschaft, Putsch, Krieg und Terror
verbinden.
Behalten Sie den Überblick! Inhaltsverzeichnis Kapitelauswahl
Hier und an der rechten Menüleiste finden Sie das Inhaltsverzeichnis. Jedes Fenster bringt Sie an den
Anfang eines Kapitels.
Deutsche Christen in der Türkei Kreuzkirche in Beyoglu 175 Jahre evangelisches Gemeindeleben in Istanbul
Als im Jahr 1861 die Kreuzkirche im Istanbuler Stadtteil Beyoglu geweiht wurde, hatte sich die deutschsprachige evangelische Gemeinde erst wenige Jahre zuvor etabliert. Auf die ehemalige deutsch-evangelische Schule im Erdgeschoss, in der heute die Pfarrwohnung ist, baute die Gemeinde ihre Kirche.
Der Zugang zum Kirchenraum führt über eine Treppe im Hofgarten.
Lebendiges Gemeindeleben Team in der Kreuzkirche
Die deutschsprachige evangelische Gemeinde ist eine Mitgliedergemeinde und lebt von deren Spenden. Davon müssen die allgemeinen Kosten für die Mitarbeiter und das Gebäude bezahlt
werden.
Neben der Pfarrerin Gabriele Pace ist auch die Diakonin Melanie Henke für das evangelische Gemeindeleben in Istanbul verantwortlich.
Außerdem arbeiten der Hausmeister
Onuk Abdul-Cebbar, der Gärtner Adnan und die Putzfrau Refiye mit. Ab und zu kommen auch Praktikanten: Im September 2018 ist die Theologie-Studentin Judith
Bruchhaus
für ein Auslandspraktikum in Istanbul gewesen.
Alle gemeinsam arbeiten daran, dass das evangelische Gemeindeleben gelingt.
Die Pastorin Gabriele Pace Fügung des Schicksals
Pastorin Gabriele Pace kommt ursprünglich aus Bayern.
Nachdem sie einige Jahre in Gefängnissen als Pfarrerin und Seelsorgerin
tätig war, verbrachte sie noch einige Jahre am Flughafen in München als
Pfarrerin. Dabei hatte sie schon immer eine Vorliebe für die
Türkei und verbrachte hier oft ihren Sommerurlaub.
Als sich dann 2017 die
Möglichkeit ergab als Pfarrerin der deutschsprachigen
evangelischen Gemeinde nach Istanbul zu gehen, überlegte sie nicht lange.
Für sie sei diese Entscheidung fast wie eine Fügung des Schicksals, sagt sie.
Die Diakonin Melanie Henke
Seit Juli 2016 ist Melanie Henke als Diakonin in Istanbul. Sie ist sowohl für die deutschsprachige evangelische, als auch für die
deutschsprachigen katholischen Gemeinden als Diakonin tätig.
Sie kümmert sich vor allem um die Frauen ab 60, die
vor Jahrzehnten der Liebe wegen in die Türkei gezogen und hier geblieben
sind. Zudem gestaltet sie die Kinder- und Jugendarbeit sowie kulturelle Veranstaltungen in den Gemeinden mit.
Sie engagiert sich auch für die Flüchtlingshilfe, die gemeinsam mit anderen Kirchengemeinden koordiniert wird.
Kirchenrätin und Zeitzeugin Margitta Arbatli
Inzwischen fühlt sich Margitta Arbatli in Deutschland fremd, denn sie lebt seit den 1970er Jahren in der Türkei. In den 1980er Jahren
zogen sie und ihr türkischer Ehemann von Izmir nach Istanbul. Die Fabrik, die sie
beide gegründet hatten, war niedergebrannt, einige Jahre später starb ihr
Ehemann.
Seit mehr als 40 Jahren ist sie in der
deutschsprachigen evangelischen Gemeinde tätig und hat schon zahlreiche Pfarrer*innen kommen und gehen sehen. Sie möchte in der Türkei neben ihrem Ehemann beerdigt werden, obwohl zwei ihrer drei Töchter in Deutschland leben.
Sie plant und organisiert Veranstaltungen in der Gemeinde und schreibt mit ihrer schönen Schrift die
Eheschließungen, Geburten- und Todesdaten in die alten
Kirchenbücher.
Die gute Fee Refiye Öztürk hält die Kirche sauber
Als 1989 der Eiserne Vorhang fiel, kamen viele türkischstämmige
Bulgaren in die Türkei. Eine von ihnen war Refiye Öztürk. Zunächst arbeitete sie als Näherin in der
Textilindustrie. Dann bekam sie den Job als
Putzfrau in der Kreuzkirche.
Die Deutschen erinnern sie an ihre Zeit in Bulgarien. Sie sagt, sie
fühle sich wohl, geborgen und sicher. Fast, als wäre es gar keine
Arbeit, als Putzfrau die Kreuzkirche sauber zu halten.
Der Hausmeister Onuk Abdul-Cebbar ist die gute Seele
Onuk Abdul-Cebbar ist Hausmeister. Er putzt, repariert, kocht und hält den
Kontakt zur Nachbarschaft. Der aramäische Christ hat in der Gemeinde
seine zweite Heimat gefunden.
Onuk hat hier geheiratet und sein Sohn heißt Rainer, benannt nach einem ehemaligen Pfarrer der Kreuzkirche. Der kleine Rainer soll im Jahr 2019 in der Kreuzkirche von Pfarrerin Gabriele Pace getauft werden.
Der Gärtner Adnan Güler Ein Muslim unter Christen
Der Gärtner Adnan Güler ist der einzige Muslim, der hier arbeitet. Von seinen
Freunden werde er manchmal dafür belächelt, dass er für die Christen arbeitet, erzählt er. Er
aber sei stolz und sehr zufrieden hier arbeiten zu dürfen und versteht
sich mit allen in der Gemeinde prächtig.
Seit Jahren kümmert er sich nun
um die Pflanzen im Garten. Jede von ihnen kennt er und weiß um die
speziellen Bedürfnisse.
Die Praktikantin Judith Bruchhaus Die neue Generation
Für ihr Theologie-Studium in Tübingen brauchte sie ein Praktikum. Wenn
schon Praktikum, dann aber im Ausland und zwar in einem muslimischen
Land.
Und da sie im interreligiösen Dialog unterwegs ist, wollte sie
unbedingt in die Türkei.
Die Nachbarschaft
Die Kreuzkirche in Istanbul Historie der Gemeinde
Für 115.000 Piaster erwarb die circa 400 Mitglieder-starke Gemeinde im Jahr 1856 ein Grundstück in Aynali Cesme, das heute im Stadtteil Beyoglu liegt. 1.000 preußische Taler
sammelte die Gemeinde dafür bei ihren Mitgliedern ein, weitere 58.254
Reichstaler an Spenden kamen aus Preußen.Das reichte gerade aus, um das Grundstück erwerben und ein
Schulgebäude errichten zu können. Bereits 1861 entschloss sich die Gemeinde eine Kapelle auf die Schule
zu bauen, bereits am 17. November 1861 wurde die Kreuzkirche mit einem Gottesdienst eingeweiht.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Kirche für viele Monate geschlossen und von evangelischen Franzosen verwaltet, bis wieder Pfarrer aus aus Deutschland ihre Gemeindearbeit aufgenommen haben. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche erneut beschlagnahmt und eine Nachbarin kümmerte sich bis 1954 um das Gebäude und die Instandhaltung. Seither gibt es gute Beziehungen zur unmittelbaren Nachbarschaft.
Geschichte Politische Beziehungen
Sie kamen als Kaufleute, Diplomaten, Militärs oder Pilger in Istanbul an und lebten hier für eine Weile. Die ersten deutschsprachigen evangelischen Christen feierten ihren Gottesdienst in der evangelischen schwedischen Kirche. Mit der Zeit wünschten sich die Deutschen in Istanbul eine eigene Kirche für ihre Gottesdienste.
Die außenpolitische Beziehung zwischen dem Osmanischen Reich und Preußen, später dem deutschen Kaiserreich, war traditionell gut. Die Osmanen bekamen vom preußischen König ein Stück Land in Berlin geschenkt, wo ein Friedhof eröffnet und später eine Moschee gebaut wurde. Entsprechend konnten Deutsche in Istanbul eine evangelische Kirche bauen.
Ein Rückblick in die Vergangenheit Historische Dokumente Die Kirchenbücher der Kreuzkirche
Geburten, Taufen, Hochzeiten und Todesfälle: Die Kasualien werden in den Kirchenbüchern dokumentiert. In den vergangenen 175 Jahren Geschichte der Kreuzkirche sind so einige dicke Bücher vollgeschrieben worden und zeugen von einer lebhaften Geschichte. Auch heute noch sind die Einträge handschriftlich. Damit bleibt eine alte Tradition erhalten.
Eine schwierige Aufgabe Pfarrerinnen und Pfarrer Eine Liste der Pfarrer*innen
Wilhelm Gottlieb
Schauffler war im Auftrag der schottischen Missionsgesellschaft seit dem Jahr 1831 in Istanbul beschäftigt. Er gründete die deutschsprachige evangelische Gemeinde im Jahr 1843. Heute wird die Gemeinde von Pfarrerin Gabriele Pace geleitet.
1843 - 1845 Charles Forsyth
1850 - 1855 Konstantin Schlottmann
1855 - 1862
Carl Nathanael Pischon
1862 - 1870 Bernard Hülsen
1870 - 1906 Paul Suhle
1906 - 1918
Siegfried Graf von Lüttichau
1908 - 1912 Dr. Stoevesandt (Hilfsprediger)
1912 - 1914 Theodor Heinemann
(Hilfsprediger)
1915 - 1919 Karl Barbe
(Hilfsprediger)
1924 - 1932 Kurt Berckenhagen
1932 - 1944 Martin Kriebel
1944 - 1951 Prof. Dr. W. Gleissberg / Dr. Lotte Loewe (Gemeindemitglieder)
1951 - 1952 Karl Friz
1952 - 1958 Hermann Haeberle
1959 - 1965 Paul Friedrich Ziegel
1965 - 1968 Helmut Tacke
1968 - 1968 O. Duwe
1969 - 1975 Horst Slaby
1975 - 1987 Heinz Klautke
1987 - 1993 Konrad Hahn
1993 - 2003 Gerhard Duncker
2003 - 2011 Holger Nollmann
2011 - 2017 Ursula August
Seit 2017 Gabriele Pace
Rechtlicher Status Schwierige Lage
Der rechtliche Status ist für religiöse Auslands-Gemeinschaften in der Türkei schon
seit dem Jahr 1923 etwas kompliziert. In der Türkei arbeitende Kleriker
müssen eigentlich die türkische Staatsangehörigkeit besitzen. Ausländische
Kirchengemeinden haben keine Rechtspersönlichkeit, sie sind also nicht
geschäftsfähig, dürfen kein eigenes Konto bei einer türkischen Bank
eröffnen oder ein Grundstück erwerben.
Für die evangelische Gemeinde
deutscher Sprache bedeutet das, die jeweiligen Pfarrerinnen und Pfarrer
ihrer Gemeinde arbeiten nicht als Geistliche in der Türkei, sondern
sind Angestellte des deutschen Konsulats, die mit kulturellen Aufgaben
betraut sind. Was juristisch kantig klingt, wird im persönlichen Kontakt mit Nachbarn und offiziellen Stellen ausgeglichen. So existiert die evangelische Kreuzkirche seit jeher am Rande der Existenzberechtigung nach dem Prinzip: Wo kein Kläger, da kein Richter.
1875 und 2018
Vor den Renovierungsarbeiten im Jahr 1911 gab es im Kirchenraum noch einen Hochaltar und Gesandtenlogen.
Die Orgel
Im Jahr 1886 installierte der Potsdamer Carl-Eduard Gesell eine Orgel. Drei Jahre später kam die Glocke hinzu.
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Produktionsstätte des Orgelherstellers in Potsdam getroffen. Das Familienunternehmen verlor die Baupläne seiner Orgeln. Ein Abgesandter der Firma reiste daraufhin nach Istanbul und besorgte sich die Pläne der in der Kreuzkirche eingebauten Orgel. So konnte das Unternehmen wieder neu beginnen.
Pastorin Gabriele Pace als Lehrerin Deutsche Schule
Im August 2018 feierte die Deutsche Schule
in Istanbul ihr 150-jähriges Bestehen. Besuch aus Deutschland kam: Außenminister Heiko Maas war anwesend. Gerade in schwierigen Zeiten ist die Deutsche Schule in Istanbul ein Garant für binationales Verständnis und Dialog. Sowohl deutsche als auch türkische Schüler werden hier unterrichtet.
Für gegenseitges Verständnis wirbt auch die Pastorin Gabriele Pace, die hier deutschen Schülern Religionsunterricht gibt.
Obwohl die letzten Jahre zwischen Deutschland und der Türkei nicht immer harmonisch waren, hat das dem Ansehen der Deutschen Schule und der deutschen Gemeinde in Istanbul nicht geschadet. Noch immer gilt die Schule bei vielen türkischen Eltern, die es sich leisten können, als hervorragende Investition in die Bildung und Zukunft ihrer Kinder.
Christliches Leben Gottesdienst in Istanbul Interreligiös und ökumenisch
Christliches Leben Gottesdienst in Istanbul Interreligiös und ökumenisch
Istanbul. Hier hat das Christentum eine sehr alte und lange Tradition. Das Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel, auch großes Glaubensbekenntnis genannt, wurde hier formuliert.
"Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat, Himmel und Erde, die sichtbare und die unsichtbare Welt.
Und an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, aus dem Vater geboren vor aller Zeit: Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott, gezeugt, nicht geschaffen, eines Wesens mit dem Vater; durch ihn ist alles geschaffen. Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden. Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden, ist am dritten Tage auferstanden nach der Schrift und aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten des Vaters und wird wiederkommen in Herrlichkeit, zu richten die Lebenden und die Toten; seiner Herrschaft wird kein Ende sein.
Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Propheten, und die eine, heilige, christliche und apostolische Kirche. Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten die Auferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt.
Amen."
Anmerkung:
Das "und vom Sohn" (filioque) wurde später in das Glaubensbekenntnis
eingefügt und in karolingischer Zeit im ganzen Frankenreich
gebräuchlich. Es entspricht westlicher, nicht ostkirchlicher Tradition.
Im 6. Jahrhundert
wurde die Hagia Sophia als das Zentrum der christlichen Religion im byzantinischen Reich in Konstantinopel (heute: Istanbul) erbaut. Für mehr als 921 Jahre war sie das Zentrum der Christenheit,
Aus den Erben
der Byzaniner ging die orthodoxe Kirche in Konstantinopel hervor, die mit der katholischen
Kirche im Rom im ökumenischen Diskurs stand. Mit der Eroberung Kostantinopels durch
die Osmanen 1453 kam der interreligiöse Diskurs in Istanbul zur Ökumene dazu. Moscheen, Synagogen und
Kirchen, die nebeneinander stehen, zeugen von diesem Selbstverständnis
einer interreligiösen Metropole zwischen Europa und Asien.
Weiterführende Links
Zwischen Militärputsch und Käsekuchen
Eigentlich ist die Türkei für Deutsche ein beliebtes Urlaubsland. Doch die vergangenen drei Jahre haben viele skeptisch gemacht: Die Regierung autoritär, die Region erschüttert von Anschlägen - Mitten in Istanbul die Evangelische Gemeinde deutscher Sprache.
Die deutschsprachige evangelische Kirche am Bosporus
Der 150. Jahrestag der Einweihung der Kreuzkirche in Istanbul
Kreuzkirche in Beyoglu
Die Evangelische Gemeinde deutscher Sprache in der Türkei freut sich über Ihren Besuch und begrüßt Sie ganz herzlich!
Deutsche evangelische Gemeinde in Istanbul Kreuzkirche in Beyoglu Die deutschsprachige evangelische Gemeinde ist 175 Jahre alt
Autoren:
Lilith Becker und Özgür Uludag
Fotos und Videos:
Lilith Becker, Özgür Uludag, Anna Laura Gundler