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Waldreise

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Der Wald ist unheimlich. Ein Ort, an dem Dämonen und andere Ungeheuer sein könnten. So steht es in den Geschichten aus Tausendundeiner Nacht und in anderen Volksmärchen, die auch meine Großmutter uns Kindern erzählte. So ist es im kollektiven Gedächtnis der Iraker verankert.

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Die Bäume aber genießen Respekt. Während der irakischen Kriege pflanzten viele Menschen Olivenbäume – sie können über tausend Jahre alt werden – und Dattelpalmen. Es war der Versuch, dem Tod, der großen Verzweiflung etwas entgegenzusetzen. Bäume als Protestmittel, das gab es vorher nicht in der irakischen Kultur, und so wurden sie zum Symbol des Lebens, der Liebe und der Hoffnung. Aber der Wald blieb ein Ort, an dem man sich einfach nicht gern aufhält. Im Irak war ich nie in einem Wald.

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Als ich 2002 in die Schweiz kam, hat es mich überrascht, wie nah der Wald den Menschen ist. Ich staunte, als ich eine Gruppe von Primarschülerinnen und -schülern, begleitet von Lehrkräften, in den Wald gehen sah. Später erfuhr ich, dass dieses Ritual in den Schulen immer wieder gemacht wird, unter der Überschrift „Wandertag“. Haben diese Kinder keine Angst vor dem Wald?, fragte ich mich damals.

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Die Jahre vergingen, und je mehr ich in die schweizerische Kultur hineinkomme, desto tiefer verwurzelt sich das Gefühl in mir, dass ich ohne den Wald nicht leben kann. Er war und ist für mich der zweite Schlüssel – nach der Sprache, dank dessen ich der Gesellschaft in der Schweiz nahekommen kann. Egal, wo man wohnt, man braucht nicht mehr als ein paar Minuten, um irgendwo in einen Wald hineinzutauchen. Ein Privileg, das ich sehr schätze.

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Im Wald fühle ich mich zugehörig, kann über Diktatur, Krieg und Flucht offen reden. Die Bäume stellen keine Fragen, sie unterbrechen nicht. Ich konnte dort viel verarbeiten, viel mit mir selbst ausmachen.

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In der Schweiz lernte ich auch das Wandern, ein Wort, das ich nicht kannte. Je tiefer ich in den Wald gehe, desto schöner finde ich ihn. Die langen Wanderwege und die großen Buchen, Eichen, Linden faszinieren mich, und wenn ich auf einen Berg oder einen Aussichtsturm im Wald steige, genieße ich den weiten Blick.

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Die absolute Ruhe, die den Augenblick beherrscht, veranlasst mich manchmal, eine knappe Mitteilung an meine Heimat in den sanften Wind zu senden: „Nichts in meinem Leben ist deutlicher als die Hoffnung, dich in Frieden zu sehen. Das ist mein tägliches Brot in der Fremde.“ Der Wald wurde für mich wie eine große Lunge, in der ich die absolute Freiheit einatmen kann. Je freier ich bin, desto beheimateter fühle ich mich.

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Usama Al Shahmani, 1971 geboren in ­Bagdad, hat moderne arabische Literatur studiert. 2002 floh er aus dem Irak, nachdem sein regimekritisches Theaterstück verboten worden war. Mit seiner Familie lebt er in der Schweiz. „In der Fremde sprechen die ­Bäume ­arabisch“ (Limmat, 25 Euro) ist sein erster Roman, ausgezeichnet mit dem Terra-­Nova-Preis der Schweizerischen Schiller­stiftung. 2018 erhielt Shahmani den Förderpreis der Stadt Frauenfeld.

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Fotos: Anne Schwalbe
Text: Usama Al Shahmani



Videos und Produktion: Dorothee Hörstgen
Autorenportrait: Ayse Yavas

© 2019

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Kapitel 1 Waldreise

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